11. Trail-Abschnitt: Von Whanganui nach Palmerston North – Termin beim Zahnarzt

11. Trail-Abschnitt: Von Whanganui nach Palmerston North – Termin beim Zahnarzt

Te Araroa Trail Total (TTT): 1.477 km

Highlight:
Herzliches Willkommen in Koitiana – Abendessen und warme Getränke für den ausgelaugten Te Araroa-Wanderer ?

Beileid:
Mehr als 100 Kilometer von Whanganui nach Palmerston North…und davon über 90% auf irgendeiner Form von Straße. Seriously?!

Trekking-Akku: 7/10
?/☹: 8/10

Beim Titel dieses Blog-Eintrags kamen mir mehrere Ideen (auch weil ich obsessiv darüber nachdachte, wie man diesen absolut verabscheuungswürdigen Teil des Trails am treffendsten charakterisieren könnte). Die Auswahl hätte genauso gut auf „Whisky Tango Foxtrott / WTF“ (= häufigster Gedanke der letzten drei Tage) oder „Wenn man das Kleingedruckte nicht liest…“ (denn wollen wir mal ehrlich sein: wenn man sich für einen Trail durch Neuseeland entscheidet, denkt man nicht unbedingt an 100 km nonstop Straße). Der „Besuch beim Zahnarzt“ hat sich letztendlich durchgesetzt: es ist unangenehm, manchmal sogar schmerzvoll, aber man muss da durch! ?

Trail Day 49: Von Whanganui in den Santoft Forest (41 km)

Gleich zu Beginn der Etappe von Whanganui nach Palmerston North hatten sich die Planer des Te Araroa ein ganz besonderes Schmankerl ausgesucht: 20 Kilometer entlang des State Highway 3! Das ist nicht nur laut und schmucklos, sondern auch richtig gefährlich. Insgesamt sind die nächsten Tage nicht besonders attraktiv; von den knapp über 100 Kilometern bis zur Großstadt Palmerston North führen mehr als 90 über Straßen! Viele andere Wanderer fahren deshalb davon wesentliche Teile per Anhalter… oder skippen diesen gesamten Abschnitt sogar komplett. Aber das kommt für mich nicht in Frage; ich bleibe stur bei meiner „Ich wandere jeden einzelnen Kilometer dieses Trails“-Policy.

Eine kleine Ausnahme habe ich heute dennoch gemacht: Anstatt den gesamten Weg entlang der SH3 zu wandern, nahm ich die vom Hostel-Eigentümer empfohlene Alternativroute über Durie Hill und die No. 2 Line. Das war zwar ein Umweg von drei Kilometern, dafür spart man sich aber satte 13 km entlang der SH3. Und so konnte ich im Regenwetter wenigstens telefonieren (solange ich noch Netz hatte) und meine Podcasts hören, denn der Verkehr hielt sich hier in Grenzen.

So ganz vermeiden konnte ich den Highway nicht und so durfte ich ihn für acht Kilometer noch intensiv genießen. Da es rechts und links der Straße teils nur sehr enge bis gar keine Grünstreifen gab, war ich oft nur weniger als einen Meter vom vorbeirauschenden Verkehr entfernt. Minütlich jagte ein Krachmillionen-Tonner mit Vollkaracho an mir vorbei. Ist natürlich genau das richtige für einen Hypersensiblen, der Lautstärke und die reine Nähe dieser Monstren geradezu auf der Haut spürt. Ich wusste schon nach spätestens zwei Kilometern, dass mich diese Etappe vielleicht nicht körperlich, aber auf jeden Fall mental an meine Grenze führen würde.

Einzige Freude bis zum Nachmittag war ein kleines Kaffee an der SH3, in dem ich mich trocknen, aufwärmen und wieder etwas runterkommen konnte. Kurz danach konnte ich auf die Turakina Beach Road abbiegen, der ich acht Kilometer bis zum kleinen, entspannten Strandort Koitiana folgte. Und hier nahm der relativ bescheidene Tag doch noch eine unerwartet erfreuliche Wendung: Erstens klarte es auf und der Regen stoppte; zweitens wurde ich mal wieder „Zielscheibe“ der berühmt-berüchtigten Kiwi Hospitality! Das ältere Eigentümer-Pärchen des hiesigen Zeltplatzes ließ TA Hiker nicht nur umsonst übernachten (was für mich ja eigentlich nicht in Frage kam, da ich noch ein bisschen weiterwollte), aber sie ließen es sich auch nicht nehmen, mir einen leckeren Wrap, ein paar Schokoladenkekse und einen leckeren Cappuccino zu kredenzen! Da schauten die anderen Gäste des Zeltplatzes schon etwas irritiert, woher ich diese Sonderbehandlung verdient hätte…war mir ja auch schleierhaft. ?

Nach einer ausgiebigen Pause und mit aufgefülltem Wasservorrat verabschiedete ich mich von dem freundlichen Paar (nachdem ich drei Mal versprach, weiterhin sehr vorsichtig zu sein). Ich wollte noch ca. 6-7 Kilometer weiter, damit ich es morgen in das dann 40 km entfernte Feilding schaffen würde.

Vom Zeltplatz aus lief ich in einen Strandweg ein, der schnell in einen Dichter werdenden Wald führte. Der Santoft Forest war super, da ich endlich weicheren Boden unter den Füßen hatte! Und es fühlte sich total surreal an, da man durch dichten Wald lief, aber dennoch jederzeit das Rauschen des sehr nahen Meeres vernehmen konnte. Ich wäre gerne irgendwo abgebogen, um zumindest einen kurzen Abstecher zum Strand zu machen, aber ich fand in dem dichten Gestrüpp heute keinen Zugang mehr. Das müsste bis morgen früh warten, bevor es wieder auf die nächste Straße gehen sollte. Für den Augenblick genoss ich jedoch das warme Abendlicht und die entspannende Ruhe, bevor ich mir vor Sonnenuntergang einen schönen Platz zum Zelten aussuchte.

Trail Day 50: Von Santoft Forest nach Feilding (40 km)

Heute ist der 28. Januar…und damit der Geburtstag eines ganz speziellen Menschen: Alles, alles Gute zu deinem Ehrentag, lieber Opa! Ich denke hier am anderen Ende der Welt an dich und wünsche dir viel Gesundheit und Freude für das neue Lebensjahr!

Zwei Tage nacheinander mit über 40 Kilometern hatte ich auch noch nicht! Rekord! ? Das gibt mir vor allem Gewissheit, dass mein Schienbein wieder voll belastungsfähig ist und anspruchsvollere Etappen kommen können.

Aufgrund meiner neuen Schuhe hatte ich jetzt allerdings andere Schmerzen, aber das gehört inzwischen schon fast zur Routine. ? Ich nehme Stretching inzwischen viel ernster, sodass Oberschenkel und Waden immer gut gerüstet sind. Jetzt brauche ich allerdings noch ein Geheimrezept gegen schmerzende Knie und Füße. Still working on it!

Anyway, ich wachte morgens entspannt auf, packte meine Sachen zusammen, zog mein Stretching-Programm gut durch (bin da normalerweise sehr ungeduldig…) und fand auf den letzten Drücker tatsächlich noch einen Zugang zum Strand. Perfekter Start in den Tag also! ?

Danach Straße, Straße und nochmals Straße! Gegen Mittag erreichte ich nach 20 Kilometern die Kleinstadt Bulls und telefonierte schonmal nach Feilding (das schreibt man wirklich so) vor für meine Unterkunft am Abend. Nach zwei Telefonaten war klar: ich hatte extrem schlechtes Timing! In Feilding war nämlich gerade eine Farmer-Messe und alle Unterkünfte so gut wie ausgebucht. Verbleibende Optionen waren alle über 100 Dollar schwer, das konnte ich nicht mit meinem Fernwanderer-Gewissen vereinbaren. ?

Ich überlegte kurz, mir unterwegs eine Alternative im Feld zu suchen. Aber ich beschloss schnell, dass ich es trotzdem bis nach Feilding schaffen wollte…dort würde sich schon irgendetwas ergeben. Unter Motorenlärm und LKW-Wind wanderte ich wieder verschiedene Straßen meinem heutigen Ziel entgegen. Ich erreichte Feilding um acht Uhr abends und bog gleich in den ersten vielversprechenden öffentlichen Park ein. Camping war hier natürlich untersagt…aber wenn man mich nicht sehen würde, wäre es ja so als wäre nie etwas passiert. ?

Ich machte mir also in Ruhe meine Pasta an einem der Picknicktische fertig und wartete den Sonnenuntergang ab. Zwischendurch streifte ich schonmal durch den Park auf der Suche nach einem versteckt gelegenen Geheimzeltplatz. Als es schließlich dunkel wurde, packte ich meinen Rucksack und baute schnell mein Zelt auf. Ich war mir ziemlich sicher, dass man mich hier nicht entdecken würde…

Trail Day 51: Von Feilding nach Palmerston North (27 km)

…um ganz sicher zu gehen, stellte ich mir meinen Wecker schon auf fünf Uhr. Ich blieb dennoch nochmal eine halbe Stunde liegen, da ich echt unruhig geschlafen hatte. So ganz abgezockt bin ich dann wohl doch nicht; ich hatte einen extrem leichten Schlaf und wurde trotz Ohrstöpsel bei jedem kleinen Geräusch in der Nähe wach. Aber zumindest hatte ich jetzt fürs nächste Mal hinzugelernt. ?

Ich quatschte noch kurz mit zwei interessierten Kiwis über den Trail, bevor ich die letzten 25 Kilometer bis nach Palmerston North in Angriff nahm. Wieder ging es größtenteils über eine langgezogene, enge, vielbefahrene Straße…hier war oft überhaupt kein Grünstreifen und wenn er denn vorhanden war, so war er total abschüssig und kaum zu begehen. Außerdem zollten meine Füße heute enorm früh ihren Tribut aufgrund des harten Untergrund und schmerzten bereits nach wenigen Kilometern. Die Sonne hatte bereits früh freie Bahn und brannte auf mich herunter. Nach einer weiteren Beinahe-Kollision mit einem der Krachmillionen-Tonner verlor ich total die Geduld/Beherrschung und schrie meinen Frust laut heraus („Fuck ooooooofff!!!“).

Da tut es gut, wenn man durch ein unerwartet schönes Ereignis wieder auf den Boden geholt wird: ich nutzte eine breitere Wiese für eine ausgiebige Pause und lag einfach nur da, als auf einmal ein Kiwi abbremste und langsam neben mir auf die Wiese fuhr. Er stieg aus, kam zu mir herüber und erkundigte sich vorsichtig, ob er mich nicht vielleicht mitnehmen könne. Danke für so viel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft! Ich lehnte dankend ab, aber allein die herzliche Art und Weise dieses Angebots holten mich aus meinem Amok-Modus. ?

Weitere Teile des Weges führten über ein paar Felder und Wiesen und zuletzt entlang des Manawatu River bis zur Fitzherbert Bridge, meinem Endpunkt des Trails für heute. Von hier müsste ich noch einmal drei Kilometer bis zu meinem Hostel zurücklegen. Und das war wirklich auf der letzten Rille! Innerhalb von nur zweieinhalb Tagen habe ich meinen Füßen 110 Kilometer zugemutet, das müssen die Jungs erstmal verdauen. ?

So what’s next:

Ich nehme mir den Nachmittag in Palmerston North frei, weil ich ein paar wichtige Besorgungen in ein paar Outdoor Stores machen möchte (u.a. Einlegesohlen für meine Schuhe und meine Matratze hat auch mal wieder ein paar Schäden). Außerdem decke ich mich fleißig mit Proviant ein, denn vor Wellington wird es noch einmal extrem anstrengend in den Tararua Ranges! Zur Einordnung: Für die lediglich 45 Kilometer durch das bewaldete Mittelgebirge setzen die offiziellen TA Trail Notes drei bis sechs Tage an… Warum so lange und so eine krasse Differenz? Ganz einfach: Erstens sind tausende von Höhenmeter zu fressen, zweitens ist das gesamte Gebiet extrem starken Wettereinflüssen ausgesetzt. Es kommt nicht selten vor, dass man auch mal ein bis zwei Tage wegen eines Regensturms auf einer Hütte ausharren muss…von daher werde ich mir wohl ein paar Nudeln extra einpacken (und vielleicht auch einen kleinen Whisky). ?

Vorher laufe ich allerdings erstmal über ein paar Hügel dorthin, zwei bis drei Tage zum Warmwerden. Insgesamt schleppe ich sechs Tage Proviant mit, allein das ist schon Grund zur Freude! ? Aber: ich freue mich wirklich über ein absolutes landschaftliches Highlight der Nordinsel! Und so ganz nebenbei überschreite ich die 1.500km-Marke… Keep you posted!

Ein Gedanke zu „11. Trail-Abschnitt: Von Whanganui nach Palmerston North – Termin beim Zahnarzt

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