12. Trail-Abschnitt: Von Palmerston North nach Paraparmumu über die Tararua Ranges – Das Tararua-Experiment: 2 Tage, 7.000 Höhenmeter, CRASH!

12. Trail-Abschnitt: Von Palmerston North nach Paraparmumu über die Tararua Ranges – Das Tararua-Experiment: 2 Tage, 7.000 Höhenmeter, CRASH!

Te Araroa Trail Total (TTT): 1.620 km

Highlight:
Der Höhepunkt der Nordinsel – die Tararua Ranges waren hart und belohnten mich mit grandiosen Aussichten (nach außen und innen ?)

Beileid:
Stockbruch im Gebirge…Worst-Case-Szenario (naja, Schuhe kaputt wäre wohl noch schlimmer! ?)

Trekking-Akku: 1/10
?/☹: 10/10

Okay! Wer zur wesentlichen Action kommen will, kann direkt zu den Trail Days 54 und 55 springen…um dann bei Trail Day 56 nachzulesen, was die beiden körperlich anstrengendsten Tage meines Lebens so mit mir angerichtet haben. ? Viel Spaß!

Trail Day 52: Von Palmerston North bis Burtton Track (33 km)

Was für ein perfekter Start in den Tag! Bevor ich wieder auf den Trail zurückkehrte, staubte ich zunächst eine nigelnagelneue, kostenlose Matratze im Outdoor-Shop meines Vertrauens ab (Bivouac Outdoor, top Laden!) und genehmigte mir einen gratis Cappuccino bei Robert Harris. Das Café ist eine Institution in Palmerston North und da der Sohn des Eigentümers gerade selber den Te Araroa wandert und seinem Vater von so vielen hilfsbereiten Menschen erzählt, versorgt der jetzt mit seinem Café alle Wanderer mit seinen leckeren Getränken. Auch mal wieder typisch Kiwi! ?

Nach einer so gut wie schlaflosen Nacht war die Portion Koffein auch bitter nötig! Um zwei Uhr nachts kam nämlich ein vollkommen betrunkenes Arschloch in mein Zimmer, wütete herum, fing sofort an ohrenbetäubend zu schnarchen und stank bis zum Himmel! Ich hielt es bereits nach kurzer Zeit nicht mehr aus und verlegte meinen Schlafplatz ins Wohnzimmer, wo ich auf dem viel zu kurzen Sofa eingekrümmt vor mich hinschlummerte. Erholung ist anders! Am Morgen stank es übrigens im ganzen Flur nach dem Typen und die Hostel-Mutti wollte sich ihn erstmal vorknöpfen.

Nach einem späten Start in den Tag traf ich heute einige neue Leute auf dem Trail:

  • James aus England, mit dem ich mich vorher bereits während meiner Verletzungspause in Taumarunui unterhalten hatte
  • Marko aus Slowenien (lustiger Typ, der den Trail mit ziemlich heruntergekommenen Sakko, Hemd und Krawatte läuft ?)
  • Freedom aus Schweden (ja, das ist wirklich ihr richtiger Name und nicht irgendein „Trail Name“)
  • Nina aus Deutschland
  • und Matt aus Australien

Wenn ich aktuell auf andere Wanderer treffe, dann so gut wie immer in größeren Gruppen, da sie gerade zusammen den Whanganui River heruntergepaddelt sind und sich noch nicht voneinander loseisen konnten. ? Ich selber bevorzuge ja eher das Gegenteil, aber die Jungs und Mädels waren sehr nett und immerhin war es keine Gruppe von 16!! Wanderern, die ein paar Tage hinter mir lauerte.

Auch am heutigen Tag ging ein Großteil des Weges über Straße oder zumindest harte Kieswege, sodass meine Füße wieder schmerzten. Ich hatte mir in Palmerston North bewusst keinen Tag Auszeit genommen, so dass es schon der vierte Tag in Folge mit sehr hartem Untergrund war. Anyway, bald sollte es schon anders werden und einen kleinen Vorgeschmack auf Wälder und Berge bot auch der heutige Tag schon.

Fast im Vorbeigehen überquerte ich mit Nina und Matt die 1.500km-Marke des Trails! Halbzeit! ? Wir feierten uns kurz ab und liefen dann weiter…so ganz wirklich fühlte sich das für mich auch nicht nach Halbzeit an. Für mich persönlich ist ein Meilenstein erreicht, wenn ich in Wellington ankomme und damit das Ende der North Island erreicht habe (auch wenn das dann schon bei km 1.700 ist).

Aufgrund von Abholzungsarbeiten ist ein Teil der heutigen Etappe nur am Wochenende für uns Wanderer freigegeben, den wir nun optimal an einem Samstag passieren würden (auch deshalb die Anhäufung der vielen Wanderer). Ich lief noch etwas weiter als die anderen und fand einen super Platz zum Zelten direkt nach Erreichen des Waldes. Und ich freute mich bereits auf die nächsten Etappen! Der Burtton Track versprach viel Wald und Stream-Überquerungen…und für die Tararuas hatte ich mir auch schon meinen Plan zurechtgelegt. ?

Trail Day 53: Burtton Track bis Beginn der Tararua Ranges (37 km)

Nach dem gemächlichen Beginn gestern startete mein Tag heute bereits um 6:30 Uhr und ich bog nach kurzem Anlauf auf den Burtton Track ein. Dieser führte durch dichten Wald und Matsch und machte auch meinen Füßen wieder richtig Spaß! ? Nach kurzer Zeit traf ich ein weiteres Mitglied der neuen Truppe, Dustin aus den USA. Dustin war gestern bereits früher aus Palmerston North aufgebrochen und hatte noch etwas weiter hinein im Wald gezeltet. Und er verriet mir, dass noch drei weitere der Gruppe direkt vor ihm waren. Was für ein Massenauflauf! Aber so war es nun und eigentlich war es mir egal, da ich für die Tararuas mein eigenes Ding durchziehen würde.

Nach dem Burrton-Track gelangte ich auf den Mangahao-Mangahika-Track über 20 Kilometer. Insgesamt war es ein harter Tag mit vielen Höhenmetern und vor allem zahlreichen Stream Crossings (mindestens 15). Andererseits war es schonmal ein gutes Schaulaufen für die Tararua Ranges! ? Und während sich meine Füße so langsam bei dem weicheren (und vor allem matschigen) Waldboden erholen konnten, mussten heute eher meine Knie größeren Belastungen standhalten. Abwechslung kann da ja nicht schaden! ?

Zwischendurch traf ich immer wieder auf die schnelleren Leute der Truppe, vor allem Marco und Freedom legten ein gutes Tempo vor. Um 17 Uhr erreichte ich relativ kaputt das Makahika Outdoor Pursuits Centre (OPC) von John und Sally. Beide sind wirklich unglaublich und umsorgen TA-Wanderer nicht nur mit freier Kost und Logis, einer heißen Dusche und einem kalten Bier, sondern bieten sogar an, uns zum nächsten Supermarkt zu fahren! Ich nahm das Angebot nach einer Dusche und einem erfrischenden Bier dankend an und lud auch meine elektronischen Geräte wieder auf, wollte aber noch bis zum Beginn der Tararua Ranges laufen und dort campen. John gab mir noch einige Tipps mit auf den Weg (inkl. einiger Short-Cuts, die ich natürlich NICHT laufen würde) und ich lief im schönen Abendlicht die verbleibenden sieben Kilometer.

Unterwegs konnte ich schonmal auf einen guten Blick auf die Gebirgszüge werfen, die mich morgen und in den nächsten Tagen fordern würden. Ich freute mich schon sehr darauf und war gespannt, wie mein persönliches „Tararua-Experiment“ verlaufen würde. Respekt hatte ich aber auch vor der Aufgabe, denn die vielen Höhenmeter galten als echter Härtetest und schwierigster Teil der North Island.

Trail Day 54: Start der Tararua Ranges bis Dracophyllum Hut (24 km)

Also was ist dieses „Tararua-Experiment“? ?

Vielleicht zunächst ein paar Worte zu den Tararua Ranges: Dabei handelt es sich um eine wunderschöne Wald- und Alpinlandschaft, für deren Überquerung drei bis sechs Tage vorgesehen ist. Warum so eine weite Bandbreite? Ganz einfach: Erstens kommt es natürlich auf den persönlichen Fitness-Level an. Die Tararua Ranges bewegen sich zwischen 150 Höhenmetern beim Start und besitzen die höchste Erhebung mit dem Mount Crawford auf 1.462 Metern. Dazwischen ist es ein ständiges Auf und Ab; insgesamt sind innerhalb von nur 45 Kilometern ganze 7.000 Höhenmeter zu überwinden! Ja, das ist eine ganz schön krasse Hausnummer! Das schöne an den Tararuas: Es gibt entlang des anspruchsvollen Trails in regelmäßigen Abständen Berghütten mit Schlafplätzen und Wassertanks, die teils allerdings auf nur wenige Wanderer ausgelegt sind (aber dazu später mehr!). Zweitens unterliegen die Tararua Ranges extremen Wettereinflüssen, d.h. es kann innerhalb von wenigen Stunden ein plötzlicher Sturm oder ein heftiges Gewitter aufziehen und es kann sogar im Sommer schneien! In diesem Fall müsste man das Wetter in einer der Hütten abwarten, unter manchen Bedingungen ist der Gebirgszug einfach lebensgefährlich. Die offizielle Empfehlung ist in Gruppen zu viert zu wandern und den Personal Life Beacon griffbereit zu haben. Zumindest für letzteres habe ich immer gesorgt!

Sooo, what’s the Tararua Experiment again?
Mach aus drei bis sechs Tagen zwei (vorausgesetzt das Wetter spielt natürlich mit). Ein bisschen verrückt ist das natürlich schon; ich kenne keinen einzigen anderen Wanderer, der die Tararuas in zwei Tagen überquert hat. Ich kenne allerdings auch nur ungefähr 15 vor mir, also meine Referenzgruppe ist relativ klein! ? Viel wichtiger ist ja, warum das ganze überhaupt?! Kurz: Ich nutze diese einmalige Gelegenheit, in herausfordernder alpiner Landschaft an meine körperlichen, mentalen und emotionalen Grenzen zu gehen. Schonmal vorab: es hat funktioniert! ?

Im Überblick das Programm von Tag 1:

1. Etappe: Von meinem Wild Camp auf 150 Höhenmeter nach Waiopehu Hut – 9 km, 800 Meter Aufstieg

2. Etappe: Von Waiopehu Hut nach Te Matawai Hut – 6 km, 500 Meter Aufstieg und 600 Meter Abstieg über Waiopehu Peak (1.094 m), Twin Peak (1.097 m) und Richard Knob (985 m)

3. Von Te Matawai Hut nach Dracophyllum Hut – 8 km, 700 Meter Aufstieg und 500 Meter Abstieg über Mount Pukematawai (1.432 m)

Insgesamt wären das also 3.400 Höhenmeter über 24 Kilometer mit geschätzten 17 Kilogramm auf dem Rücken. Da ich an jeder Hütte neu Wasser „aufladen“ konnte, beschränkte ich mich unterwegs auf 1,5 Liter. Aber genug mit der Nummernschlacht! ?

Los geht’s! Ich startete von meinem Wild Camp früh um 6 Uhr in meinen ersten Tararua-Tag, da ich heute schnell sein bzw. früh an meinem Ziel, der Dracophyllum Hut, ankommen musste. Draco liegt nämlich erstens ca. auf der Hälfte der 45 Kilometer über die Tararua Ranges und zweitens kann die kleine Hütte nur zwei Wanderer beherbergen. Da ich einige Wanderer hinter und vor mir wusste, galt es also auf Nummer sicher zu gehen und der erste dort zu sein.

Und bis Waiopehu lief auch alles nach Plan. Ich fühlte mich gut und nahm die ersten 800 Höhenmeter im Sturm. In unter drei Stunden erreichte ich die erste Hütte, gemäß Trail Notes waren dafür vier bis fünf Stunden vorgesehen. War ich vielleicht zu schnell unterwegs? Könnte sich das später rächen? Andererseits wusste ich, dass die Angaben auf den offiziellen Trail-Schildern und in den Trail Notes sehr konservativ waren und ich diese regelmäßig bei weitem unterbot. Also alles im Rahmen! Ich genehmigte eine 20-minütige Pause, füllte mein Wassersystem wieder auf und verewigte mich im Hut Book. In diesem hatte mir Maël eine kurze Nachricht hinterlassen („Come on Stef! 5 days is nothing, you can do it!“), was mich sehr freute! Aus 900 Meter Höhe genoss ich außerdem erste grandiose Ausblicke auf die Kapiti Coast und in weiter Entfernung sogar den Mount Ruapehu mit seinem schneebedeckten Gipfel.

Weiterhin hochmotiviert nahm ich die zweite Etappe zur Te Matawai Hut in Angriff. Ich war hier  über der Baumlinie und die morgendliche Sonne brannte bereits um 10 Uhr morgens stark auf mich herab. Beim ständigen Auf und Ab kam ich richtig ins Schwitzen, aber hatte mit genügend Wasser ja gut vorgesorgt. Und dann der Schock: Ich passte kurz nicht auf, rutschte aus, fiel in den Schlamm und hörte ein lautes Knacken in einem meiner Trekking-Stöcke. Ich wusste sofort, was passiert war und musste es eigentlich gar nicht mehr checken: das Leki-Super-Luxusmodell war im höhenverstellbaren Bereich einmal komplett durchgebrochen! Ich schrie meinen Frust heraus, das war im Gebirge der absolute Worst Case! Naja, abgesehen von irgendeinem Scherz mit meinen Schuhen vielleicht. ? Ich konnte es einfach nicht fassen! War mein Tararua-Experiment damit jetzt schon zu Ende? So ein Rückschlag bereits nach acht Kilometern war jetzt nicht unbedingt eingeplant gewesen. Andererseits soll es ja auch schon Leute gegeben haben, die ohne solche feinen Stöckchen am Berg überlebt haben sollen. ?

Wütend klappte ich den kaputten Stock zusammen und verstaute ihn in einer der Seitentaschen meines Rucksacks. Vielleicht ließ sich ja zumindest in Wellington was mit der Garantie machen; da sollte sich Leki als „Qualitätsmarke“ gefälligst nicht lumpen lassen. Für einige Zeit versuchte ich es nun testweise mit einem Stock, aber das brachte überhaupt nichts: entweder ganz oder gar nicht! Ich nahm also wieder meinen Rucksack ab, um auch den zweiten Stock zu verstauen. Und F U C K: der kaputte Stock befand sich nicht mehr in der Seitentasche! Er musste innerhalb der letzten 15 Minuten herausgefallen sein…aber komisch, dass ich nichts gehört hatte. Aber der Trail war matschig und außerdem konnte der Aufprall vom Gebüsch gebremst worden sein. Ich entschied mich schnell: ich musste das Teil wiederholen!

Ich ließ meinen Rucksack zurück und stapfte den Trail nun auf der Suche nach einem KAPUTTEN Trekking-Stock zurück; so ganz bei Sinnen kam ich mir dabei nicht unbedingt vor! ? Und das beste daran war: ich fand ihn einfach nicht! Irgendwann kam ich zu einer Stelle, an der ich absolut sicher war, ihn dort bereits verstaut gehabt zu haben (hier sah halt alles irgendwie gleich aus!). Ich fluchte kurz und kehrte wieder um; dieser ganze Mist kostete einfach unglaublich viel Kraft und Nerven! Ich hatte das Scannen der Büsche schon aufgegeben, als ich den Stock tatsächlich auf dem Rückweg fand. Er baumelte in Hüfthöhe an einem Ast, der den Stock direkt aus meiner Seitentasche gefischt haben musste. Gefrustet griff ich ihn mir und lief weitere zehn Minuten zurück zu meinem Rucksack. Immerhin der war noch da, wo ich ihn abgelegt hatte. ? Das ganze hatte mich nicht nur mental geplättet, sondern auch eine halbe Stunde gekostet und nochmal jeweils 100 Höhenmeter Auf- und Abstieg zu einem sowieso schon harten Tag hinzugefügt! Das lief inzwischen alles andere als nach Plan!

Anyway, nach drei Stunden erreichte ich pünktlich zur Mittagspause die Te Matawai Hut, wo ich den Schweden Martin in Quarantäne vorfand. Er hatte sich den Magen verdorben und musste hier auf der Hütte mindestens einen Tag Auszeit nehmen. Ich hatte keine Medikamente oder Elektrolyte für ihn dabei, sodass ich leider nichts für ihn tun konnte. Genug zu essen hatte er für den Extratag in den Bergen und so ließ ich ihn in Ruhe weiterschlafen.

Jetzt war es so richtig heiß und die nächste Etappe zur Dracophyllum Hut hat führte zunächst steil bergauf auf über 1.400m, davon 500 Höhenmeter innerhalb von nur zwei Kilometern. Weiter ging es über die engen Grade zahlreicher Erhebungen entlang der gesamten Tararua Range. Über der Baumgrenze gab es keinen kühlenden Schatten und auch keine hilfsbereiten Wolken; die Sonne brannte weiter erbarmungslos mit voller Kraft auf mich herunter. Ohne die Trekking-Stöcke dauerten Auf- und Abstiege einfach länger…meine Beine wurden so langsam müde und ich konnte ihnen keine Arbeit abnehmen.

Ich brauchte viele Pausen und war durch und durch erschöpft. Dabei konnte es unmöglich an zu wenig zu essen oder trinken liegen; ich stopfte pausenlos energiegeladene Snacks in mich rein und hatte zu diesem Zeitpunkt bereits über vier Liter Wasser getrunken. Es war einfach zu anstrengend, zu schwierig, zu anspruchsvoll und ich hatte mich mit meiner Geschwindigkeit übernommen. Ich torkelte und fiel den Trail entlang. Ich war nur noch einen Kilometer von meiner Hütte entfernt, aber ich konnte keinen Zentimeter mehr weiter. Erneute Pause!

Ich riss mich zusammen und lief ein Stück weiter. Jetzt waren es nur noch 200 Meter und ich musste nochmal 60 Höhenmeter rauf zur Hütte. Ich machte eine letzte Pause und mobilisierte wirklich alles, was ich in den entlegendsten Teilen meines Körpers an Energie gespeichert hatte. Die nächsten 200 Meter waren die längsten und langsamsten der bisher zurückgelegten 1500 Kilometer… aber ich war endlich am Ziel, vor mir stand die kleine Dracophyllum Hut. Ich warf alle Sachen von mir, legte mich unter den Wassertank und ließ den kühlen Strahl über Gesicht und Kopf laufen. Ich war total am Ende! Ich konnte überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen, legte mich zunächst ins Gras und dann sofort ins Bett. Ich merkte erst jetzt, wie weh meine Glieder taten! Was für ein Tag! Der heftigste Tag meiner Wanderung…und ich muss schon hart nachdenken, was überhaupt jemals in meinem Leben annähernd so anstrengend war wie das, was ich mir heute zugemutet hatte (vielleicht noch die Besteigung des Cotopaxi in Ecuador auf fast 6000 Meter, aber da war ich auch noch keine 33 ?).

Wahnsinn, ja morgen nicht nochmal so eine Tort(o)ur! Zweimal hintereinander an seine absolute Leistungsgrenze zu gehen, hebe ich mir für die South Island auf. ?

Trail Day 55: Von Dracophyllum Hut nach Otaki Forks (25 km)

Die lange Ruhepause und ein ausgiebiger Schlaf taten mir extrem gut! Am Morgen war ich wie ausgewechselt und fühlte mich stark. Ich machte mir gemütlich Frühstück und Kaffee in meiner persönlichen kleinen Lodge, während ich mir nochmal den Plan für den heutigen Tag anschaute…

Im Überblick das Programm von Tag 2:

1. Etappe: Von Dracophyllum Hut nach Nichols Hut – 5 km, 550 Meter Aufstieg und 700 Meter Abstieg über Puketoro (1.152 m), Shoulder of Kelleher (1.142 m) und Nichols (1.242 m)

2. Etappe: Von Nichols Hut nach Waitewaewae Hut – 8 km, 380 Meter Aufstieg und 1.240 Meter Abstieg über Mount Crawford (1.462 m)

3. Etappe: Von Waitewaewae Hut entweder nach Parawai Hut oder Otaki Forks Campsite – 12 km, 250 Meter Aufstieg und 460 Meter Abstieg

Insgesamt wieder ein verdammt heftiger Tag mit insgesamt 3.600 Höhenmeter verteilt auf 25 Kilometer (vermeintliche 300 Höhenmeter würde ich noch hinzufügen…aber dazu komme ich noch)!

In der Nacht hatte es leicht geregnet und das tat den Temperaturen nur gut. Andererseits machte es den Trail natürlich rutschiger…und ganz besonders ärgerlich: es hatte sich eine dichte Nebelwand gebildet und die Sicht betrug vielleicht 50 Meter. Aber na gut, solange ich dem Trail folgen konnte, war ja alles in Ordnung! ?

Ich brach gegen acht Uhr auf Richtung Nichols Hut und wanderte wieder durch den knallgrünen, wunderschön mit Moos bewachsenen Wald. Wie in einer Märchenlandschaft, echt toll! Und es lief gut, nach nur 2:45 Stunden erreichte ich die Nichols Hut, wo ich erstmal ein kurzes Nickerchen machte.

Inzwischen wurde es in dieser Höhe richtig windig, der Nebel wurde dichter und es fing an leicht zu regnen. Ich befürchtete schon, ich würde hier erstmal einige Stunden in der Hütte ausharren müssen. Denn gerade die nächsten zwei Stunden würden mich über den Mount Crawford und damit die exponiertesten Teile der Tararua Ranges führen. Allerdings war es jetzt noch kein Show Stopper. ?

Ich ließ mich also nicht aufhalten, zog mir meine Regenjacke und meinem Rucksack das Raincover über. Zurück auf dem Grat war es schon sehr windig, aber der Regen hatte sich schnell wieder verzogen. Schade war nur, dass ich aufgrund des Nebels keine tollen Aussichten genießen konnte. Sollte ich vielleicht doch warten?

Nach einer Stunde erreichte ich den höchsten Punkt der Tararuas, den Mount Crawford mit 1.462 Metern. Die Sicht war immer noch pure Suppe und so hielt ich mich dort nicht lange auf. Nun wurde es aber bereits klarer, die Wolken- und Nebelschwaden zogen von Westen nur noch spärlicher über den Gebirgsrücken. Und so hatte ich zumindest noch das Glück, ein paar halbwegs schöne Aufnahmen zu machen. Nur eine Stunde später war der Gipfel übrigens so gut wie sonnenklar…

Nun begann der für mich schwierigste Teil des Trails: innerhalb von anderthalb Stunden ging es über 1.000 Höhenmeter bergab. Steil, teilweise rutschig und nur mit zu kurzen Trekking-Stöcken ausgerüstet ging das natürlich voll auf meine Knie. So hatte jeder Teil der Tararuas doch seine Spezialattacken parat! ?

Ich erreichte die Waitewaewae Hut in nur noch 310 Meter Höhe um 16 Uhr und legte mich erstmal wieder schlafen. In der bisher schönsten Hütte aß ich noch etwas, füllte mal wieder meine Wasservorräte auf und verewigte mich wie üblich im Hüttenbuch (auch hier war wieder ein kurzer persönlicher Gruß von Maël und Faustine zu finden, danke! ?).

Um 17 Uhr war ich wieder unterwegs…aber ab jetzt sollte alles schieflaufen und ich fing dazu noch an, schlechte Entscheidungen zu treffen! Für den ersten Bock konnte ich allerdings schonmal nichts: gemäß Trail Notes sollte der nächste relativ flache Abschnitt 4-6 Stunden dauern…das war aber noch bevor der Trail im letzten Jahr verändert wurde! Offensichtlich musste man inzwischen einen Umweg in Kauf nehmen; und dieser war nicht nur ein hartes und ständiges Auf und Ab und extrem schlecht gewartet, sondern einfach länger! Es half nichts, ich müsste jetzt durchpowern, um vor Dunkelheit das Ende der Tararuas zu erreichen. Ich schaltete in den Beast Mode und fegte durch den Wald! Hin und wieder checkte ich mein GPS (was nicht viel half, denn auch das sagte mir nur, dass ich abseits des ursprünglichen Trails unterwegs war). Aber es gab mir zumindest einen Hinweis, wann ich ungefähr wieder auf den originären, leichteren Teil des Trails zurückkehren würde. Und nach mehr als einer Stunde war es endlich soweit!

Ich machte eine kurze Pause und checkte Zeit und Reststrecke…ich müsste mich weiterhin beeilen, um es vor Dunkelheit zu schaffen. Aber ab jetzt wurde es leicht; ab sofort war der Trail größtenteils ein flacher, angenehmer Waldweg. Wäre es so weitergegangen wie zuvor, wäre ich auch spontan kollabiert! ?

Kurz vor der nächsten Hütte, der Parawai Lodge, fand ich den Trail nicht mehr. Ich war inzwischen aus dem Wald heraus und stand auf einem Feldweg, rechts oder links konnte ich gehen. Und mein GPS sagte geradeaus…und ich sah auch tatsächlich Schneisen vorheriger Wanderer durch das hohe Gras. Ich war mir unsicher, aber folgte eine dieser Schneisen…und landete nach nur kurzer Zeit im Unterholz. Und gemäß GPS war ich hier auch noch richtig, aber das war unmöglich der Trail! Ich hatte mich verlaufen und schlug mich nun weiter durchs Unterholz, bis ich auf einen engen, total zugewachsenen Pfad gelangte, dem ich entlangstolperte. Und siehe da, auch auf diesem Weg kam ich ans Ziel…am Ende des Pfades angelangt kam ich wieder auf den richtigen Trail. Die Hütte lag jetzt allerdings bereits hinter mir. Egal, ich hatte es geschafft!

Und traf die nächste fragwürdige Entscheidung: zwei Kilometer weiterlaufen bis zum nächsten Camping-Platz. Es war jetzt bereits 21 Uhr und die Sonne ging unter. Ich stapfte den restlichen Weg schnell weiter Richtung Feierabend. Vor Ankunft am Zeltplatz war es bereits vollkommen dunkel; ich aktivierte meine Stirnlampe und bog auf einen letzten kurzen Trail durch den Wald ein. Nach kurzer erreichte ich das weitläufige Gelände des Camping-Platzes. Es war sonst niemand da, soweit ich das in der Dunkelheit erkennen konnte… Und selbst nach langem Herumsuchen fand ich auch keine Wasserquelle! So verwahrlost und einsam und abgelegen der Zeltplatz auch war, er sollte zumindest irgendwo ein Toilettenhäuschen mit Wassertank haben. Ich fand es aber einfach nicht…und traf dann die nächste fragwürdige Entscheidung!

Nah am Zeltplatz hörte ich den Otaki River entlang fließen; es war also Wasser da. Das Problem war nur, ich konnte durch das dichte Gestrüpp keinen Weg hindurch zum Fluss finden. Und so bahnte ich mir meinen Weg einfach mittendurch: durch dichtes Gebüsch, Dornen, matschige Untergründe, hindurch durch einen kleinen Bach…und wäre dann beinahe noch an einem kleinen Hang abgestürzt im Dunkeln! Nach einer halben Stunde erreichte ich den Otaki River, füllte mein Wasser auf und blickte hinauf in den wundervollen Sternenhimmel. Es war inzwischen bereits nach 22 Uhr und ich wollte einfach nur schlafen! Zuvor stieg ich allerdings noch in den Fluss und wusch zumindest meine Beine, Arme und mein Gesicht.

Natürlich hatte ich mir in meinem Wasserwahn nicht komplett eingeprägt, wie ich zum Fluss gekommen bin. Dementsprechend reibungslos verlief der Rückweg; Trial-and-Error in der Nacht! Im Bach umschlängelte mich noch ein Aal, bevor ich mit einiger Mühe wieder auf den Zeltplatz zurückfand. Jetzt nur noch Zelt aufbauen, schnell kochen und schlafen! So lang der heutige Tag auch war…und so unglücklich er endete, ein kleines Lächeln konnte ich dennoch nicht unterdrücken. Ich hatte die Tararuas in zwei Tagen geschafft! ?

Jetzt musste ich morgen ja nur noch „rauslaufen“…hatte ich mir zumindest so schön einfach vorgestellt…

Trail Day 56: Von Otaki Forks nach Paraparaumu (32 km)

Mein Weg zurück in die Zivilisation verging für mich wie in Trance. „Trance“ ist vielleicht das falsche Wort, weil es sich relativ gemächlich und entspannt anhört. Davon war dieser Tag allerdings eher das Gegenteil! Hier eine kurze Zusammenfassung, an das ich mich trotz Wanderdelirium erinnern kann:

  • Morgens im Sonnenlicht fand ich natürlich sofort das ersehnte Toilettenhäuschen mit dem Wassertank… ?
  • Der erste Teil des Tages führte mich wieder über viel zu viele Höhenmeter über den Pukatea (812 Meter)
  • Es war mit über 30 Grad und nicht einer einzigen Wolke am Himmel einfach nur quälend heiß, insbesondere nachdem ich den Wald verließ und der Straße nach Waikanae folgte
  • Ich war noch nie so langsam: ich brauchte ewig für den Weg und benötigte zahlreiche Pausen
  • Ich erreichte den Ort Waikanae um 16 Uhr und schlief erstmal auf einer Parkbank neben dem lokalen Pennervolk
  • Mir wurde jetzt schon richtig übel und ich musste mich zwingen, überhaupt etwas zu trinken oder zu essen
  • Ich erreichte den Strandort Paraparaumu in der Dunkelheit… erlebte dafür einen richtig tollen Sonnenuntergang ?

Im hiesigen YHA nahm ich mir ein Einzelzimmer, aber aufgrund meiner Übelkeit fiel es mir schwer einzuschlafen. In der Nacht rannte ich auf Toilette, um mir die letzten grenzwertigen Tage noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen…

The End

Nachtrag:
Wie ihr seht war ich erfolgreich…das Ziel lautete immerhin körperliche, mentale und emotionale Überforderung und das hatte ich erreicht! ? Würde ich es nochmal tun? Nein, ich leide wegen der Überanstrengung noch Tage später an Magenproblemen und Übelkeit! War es den Versuch wert? Ja klar, denn wenn man nicht experimentiert, wie findet man sonst heraus, wie weit man es schaffen kann?! ?

#learnexperimenttesteducateyourself

9 Gedanken zu „12. Trail-Abschnitt: Von Palmerston North nach Paraparmumu über die Tararua Ranges – Das Tararua-Experiment: 2 Tage, 7.000 Höhenmeter, CRASH!

  1. Hi Cindy, thanks for your message! I just reached Wellington, so I’m at the end of the North Island. My favorite parts of the NI were the Tararua Ranges and Tongariro! But there are so many other stunningly beautiful places, too.

    Unfortunately most of my blog content is in German. Tried to do both languages in the beginning, but it was too much work. Hope to translate everything later on! But hey, pictures can tell a great story, too! 😉

    Safe and happy trail!
    Stef

  2. Go Stefaaaan! Mit Wellington haste jetzt ja erstmal die letzte Großstadt gefunden. Viel Spaß und Erholung bei der Fährfahrt. Der Queen Charlotte Track ist ein würdiger Einstand für die schöne Südinsel!! Ich drück die Daumen, dass die Stücke in den Südalpen halten.

    1. Haha, wie cool! War eigentlich ein Unfall…aber dann behalte ich den „Unfall“ einfach bei! 😉 Welly macht Spaß, bleibe hier erstmal ein paar Tage…Essen an jeder Ecke und warme Duschen, I’m easy to please these days! 😉

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