17. Trail-Abschnitt: Von Boyle Village nach Arthur’s Pass über den Harper und Goat Pass – Zu viel blau, zu wenig orange!

17. Trail-Abschnitt: Von Boyle Village nach Arthur’s Pass über den Harper und Goat Pass – Zu viel blau, zu wenig orange!

Te Araroa Trail Total (TTT): 2.170 km 

Highlight:
Aufstieg zur Goat Hut im Deception Valley – hüfttief durch Flüsse und Bäche waten, über Stromschnellen springen, von Stein zu Stein hechten…ein echter Outdoor-Kindergarten ?

Beileid:
Tui Track…elf Kilometer einfach mal irgendwie in die Landschaft gerotzt!

Trekking-Akku: 2/10
?/☹: 7/10

Jack Kerouac – The Dharma Bums:

„Try the meditation of the trail, just walk along looking at the trail at your feet and don’t look about and just fall into a trance as the ground zips by. Trails are like that: you’re floating along in a Shakespearean Arden paradise and expect to see nymphs and fluteboys, then suddenly you’re struggling in a hot broiling sun of hell in dust and nettles and poison oak… just like life.”

Trail Day 75: Von Boyle Village bis zur Hope Kiwi Lodge (26 km)

Tui Track: nominiert für den hässlichsten, unnötigsten Teil des Te Araroa! Die ersten Kilometer hinter Boyle waren die absolute Hölle für mich: hohes Gras, scharfe Dornenbüsche, nervige Disteln, pure Matschabschnitte (einmal stand ich knietief drin und hatte schon Angst um meine Schuhe), rutschige Flussüberquerungen und ein Trail, der einfach nur weich und anstrengend zu begehen war. Der Track war einfach in die Landschaft gerotzt! ? Bei einer der zahlreichen Flussüberquerungen rutschte ich auch noch auf einem glatten Stein aus und wäre beinahe von der Strömung mitgerissen worden. Mit 20 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken ein riesiger Spaß!

Aber ich fing mich nochmal rechtzeitig und tauchte „nur“ meinen Rucksack etwas unter Wasser. Kein Problem, ist ja alles wasserdicht verpackt! Allerdings sollte ich vielleicht demnächst behutsamer vorgehen: mit den zwei Flüssen Taramakau und Otira warteten noch ganz andere Kaliber vor Arthur’s Pass auf mich. Noch ein Satz zum Tui Track: selbst die Sandflies finden diesen Track wohl zu schäbig; ich konnte zum ersten Mal auf der Südinsel ohne gebissen zu werden eine Pause einlegen. ?

Dabei hatte ich vorher einen super angenehmen Start in den Tag. Ich entschied mich gegen einen vollen Ruhetag in Boyle, aber ließ mir am Morgen viel Zeit. Ich arbeitete noch etwas an meiner englischen Fundraiser-Website, kümmerte mich um meine E-Mails und versuchte nach Deutschland und Portugal zu telefonieren. Letzteres relativ erfolglos, aber zumindest erreichte ich die meisten über Whatsapp.

David, der Eigentümer des Boyle Outdoor Education Center, und eine liebenswürdige Ehrenamtliche gaben mir nicht nur hilfreiche Tipps für den Trail, sondern gleich noch zwei Äpfel und eine Banane mit auf den Weg. Es war super nett, aber ich konnte nicht verhindern zu überlegen, wieviel zusätzliches Gewicht das ausmachen würde. ? Einer meiner TA-Mitwanderer hatte einen ziemlich starken Verriss über das Outdoor Center in der Facebook-Gruppe gepostet und ich nahm mir vor, das Bild ein bisschen gerade zu rücken.

Anyway, nach elf Kilometern hatte der Spuk mit dem Tui Track ein Ende und ich wanderte weiter auf dem weitaus schöneren Harper Pass Track. Vorher führten mich die orangenen Trail-Marker noch über einige Hügel, die auf meinem GPS off Trail waren…aber letzten Endes konnte ich den Tui hinter mir lassen und das war das Entscheidende.

Der Harper Pass Track führte durch viel Wald und zuletzt über eine weite Grasebene. Zwischendurch machte ich kurz Halt in der Hope Halfway Hut und wollte mich wie üblich in das Intention Book / Hüttenbuch eintragen…in der kurzen Zeit erlebte ich eine wahres Sandflies-Inferno! An so gut wie jeder freien Stelle meines Körpers hatten sich die kleinen Biester niedergelassen und waren im Inbegriff loszusagen. Ich schlug wild auf mich ein und flüchtete so schnell ich konnte!

Von dort war es bis zur Hope Kiwi Lodge nicht mehr weit, allerdings teilweise total matschig auf dem Trail. Allerdings gab es genug saubere Bäche, in denen ich meine verschlammten Schuhe, Socken und Beine waschen konnte. Und die Hoffnung auf einen ganzen Tag trockene Füße auf diesem Trail hatte ich schon vor geraumer Zeit begraben. Ich erreichte die geräumige 20-Personen-Hütte um halb acht…und war der einzige Gast. Ein Palast ganz für mich allein, dachte ich! Kurze Zeit später traf noch Jean Baptiste aus Belgien ein, das war auch noch okay. ?

Ich entnahm dem Hüttenbuch, dass Matt, Kelsea, Maël, Faustine, Dafydd und John erst letzte Nacht hier waren; ihr Vorsprung war auf nur noch einen Tag zusammengeschmolzen. Sie hatten mir auch wieder eine liebe Nachricht hinterlassen und hofften auf ein baldiges Wiedersehen. Vielleicht gab es ja tatsächlich ein Revival noch vor Arthur’s Pass. Allerdings gefiel mir meine Position genau zwischen den beiden großen Gruppen (hinter mir kamen ja dann James, Romain, Taylor usw.) ganz gut! ?

Ich unterhielt mich noch etwas mit Jean Baptiste und ging dann früh in meinem „Privatzimmer“ schlafen. Morgen wollte ich ein bisschen früher los als erst um halb zwölf…und ich freute mich bereits auf ein Bad in den heißen Quellen!

Trail Day 76: Von der Hope Kiwi Lodge bis zur Hurunui Hut No.3 (27,5 km)

Ich wachte um sieben Uhr auf und vom gestrigen schönen Abendhimmel war nicht mehr viel übrig; Nebel und Regen dominierten das Tal und ich drehte mich nochmal auf die andere Seite in meinem gemütlichen Schlafsack. ?

Es klarte wirklich schnell auf. Um neun Uhr verabschiedete ich mich von Jean Baptiste, der gerade erst aufgestanden war, und war wieder auf dem Trail. Zu meiner Rechten erhob sich der Niggerhead mit 1.400 Metern. Der Berg heißt allen Ernstes so, aber der Name soll wohl demnächst in etwas politisch Korrekteres geändert werden.

Ich wanderte zunächst durch die platte Ebene und tauchte dann in dichten Wald ein. Nach dem Kiwi Saddle machte ich meine erste Pause, stieg ohne Gepäck hinauf auf einen Lookout Point und genoss den Ausblick auf Lake Sumner und seine flankierenden Gipfel.

Es war ein kühler Tag und es begann jetzt etwas zu nieseln. Vielleicht könnte ich mich später in den heißen Quellen aufwärmen. ? Bis dorthin waren es aber bestimmt noch fünf bis sechs Stunden, sodass ich mich erstmal wieder mit Hoodie und Kopftuch gegen den frischen Wind wappnete.

Ich wanderte weiter durch den Wald; durch Bäume und Büsche konnte ich immer wieder einen kurzen Blick auf Lake Sumner erhaschen. Allerdings wurde es jetzt immer diesiger und der Regen stärker. Rechtzeitig bevor ich eine baum- und damit schutzlose Ebene überqueren musste, hatte es sich richtig schön eingeregnet und ich wechselte in meine Regenjacke. Das hatte mir der Wetterbericht anders versprochen und gab mir ein paar Bedenken hinsichtlich der großen Flussüberquerungen in den nächsten Tagen. Aber noch war es ja nicht soweit!

Eine Hängebrücke führte mich über den Hurunui River und nach einer halben Stunde erreichte ich auch die Hurunui Hut. Es war bereits nach 14 Uhr und Zeit für eine Mittagspause. In der Hütte traf ich den Kiwi John, der aus der anderen Richtung kam und mir schonmal Vorfreude auf die natürlichen heißen Quellen machte. Während wir uns unterhielten, fing es allerdings nochmal stärker an zu regnen. Meine Motivation weiterzulaufen sank rapide und ich entschied mich, ein wenig länger im Trockenen auszuharren…vielleicht würde es ja in einer halben Stunde besser werden?

Es hörte tatsächlich auf zu regnen, die Kälte blieb jedoch. Die ersten Minuten auf dem Trail fror ich richtig, aber ich war auch einfach zu faul, mir eine Extra-Zwiebelschicht umzuwerfen. ? Nach einer Stunde wurde ich aufmerksamer, weil ich die Abzweigung zu den Hot Pools auf keinen Fall verpassen wollte. Allerdings hätte ich die heißen Quellen auch mit geschlossenen Augen gefunden, denn auf einmal stieg mir ein scharfer Schwefelgeruch in die Nase. Ein kleiner Wasserfall zu meiner Linken brachte diesen Geruch und dazu warmes Wasser zu mir auf den Trail. Ich stieg neben dem Wasserfall einige Meter hinauf und fand den besagten, natürlichen Pool. Ein Schild wies darauf hin, dass man wegen der fiesen Chemie nur nicht den Kopf unter Wasser halten sollte.

Kurze Zeit später stieg ich nur noch mit kurzer Hose bekleidet in das angenehm heiße Wasserbad. Wie gut das meinen Oberschenkeln und Waden tat! Ich war total happy…und wurde dann von einer ganzen Armada von Sandflies attackiert! Ich wehrte sie so gut es ging ab und spritzte sie mit Schwefelwasser in den gerechten Tod. Aber es kamen einfach zu viele nach, ein Kampf gegen Windmühlen. Ein Blick zum Rand des Pools bestätigte das, was die nette Frau vom Boyle Outdoor Education Center mit auf den Weg gegeben hatte: „Sandflies like blue for some reason.“ Ich hatte mein blaues Shirt und meinen blauen Hoodie direkt neben mir abgelegt und jetzt war meine Kleidung mit kleinen schwarzen Punkten bedeckt. Auch mein Rucksack mit dem blauen Rain Cover wurde von zig Sandflies umschwirrt.

Ich konnte mich leider überhaupt nicht zurücklehnen, entspannen und die wohltuende Wärme genießen. Dafür war der Kampf gegen die kleinen Biester viel zu intensiv! Irgendwann (nach mindestens 100 abgewehrten Attacken) wurde es mir zu bunt! Ich kapitulierte vor der schieren Überzahl, stieg aus dem Pool, zog mich in Rekordzeit wieder an, vertrieb die Viecher von meinem Rucksack und war wieder auf dem Trail. Schade eigentlich! Wären die Sandflies nicht gewesen, hätte ich es in dem Pool stundenlang aushalten können…und meine Beine wünschen sich die tolle Entspannung ebenfalls zurück. Allerdings nicht auf Kosten anderer Körperteile! ?

Von hier war es nicht mehr weit und lang bis zur Hurunui Hut No. 3. Die letzten vier Kilometer lief ich im Wechsel über ebene Grasfläche direkt entlang des Flusses oder der Trail führte mich in den Abhang hinein durch Wald. Ich erreichte die Hütte bereits um 18:40 Uhr…so früh hatte ich schon lange keinen Feierabend mehr! ? Und von weitem sah ich bereits Rauch aus dem Schornstein der Hütte aufsteigen, das heißt mich erwartete bereits ein Feuer und eine beheizte Hütte. Besser kann das ja gar nicht laufen! ?

In der Hütte wurde ich sehr herzlich von Jon und Roy willkommen geheißen, zwei sehr fitte und interessante Rentner aus Neuseeland. Wir kochten und unterhielten uns noch angeregt für zwei Stunden und gingen dann schlafen. Morgen wollte ich den Harper Pass überqueren und 23 Kilometer bis zur Kiwi Hut zurücklegen. Bei einem frühen Start winkte bereits ein noch früherer Feierabend als am heutigen Tag. Gute Aussichten! ?

Trail Day 77: Von der Hurunui Hut No.3 bis zur Kiwi Hut (22,5 km)

So richtig früh startete ich dann doch nicht in den Tag. In der Nacht wachte ich einige Male auf, weil es merklich kühler wurde, nachdem das Feuer ausbrannte. Ich verzog mich immer tiefer in meinen Schlafsack und schlief letztlich durch bis halb acht.

Jon und Roy ließen es ebenso gemächlich angehen und brachen vielleicht 15 Minuten vor mir auf. Um neun Uhr nahm ich die Verfolgung auf; inzwischen hatte sich der dichte morgendliche Nebel immer weiter aufgelöst und ließ einige Sonnenstrahlen durch. Trotzdem blieb es meist kühl.

Nach vier Kilometern holte ich die beiden das erste Mal an der Cameron Hut ein. Die Hütte war eine richtige Bruchbude, hatte aber auch richtig Charme. ? Ich machte Pause, die beiden brachen wieder vor mir auf und ich überholte sie wieder nach einiger Zeit…dieses Spiel wiederholte sich so den ganzen Tag. Ich hörte unterdessen weiter mein aktuelles Hörbuch „Born to Run“ und wollte am liebsten barfuß laufen…aber so weit entfernt davon war ich ja nicht mit meinen dünnen Sohlen. ?

Nach der kleinen Harper Pass Bivvy führten mich noch weitere 150 Höhenmeter hinauf auf den Harper Pass in 962 Metern Höhe. Auf dem Weg dahin traute ich zunächst meinen Augen kaum: was war das in dem Bach bitte?! Ich schaute genauer hin und mein erster Eindruck stimmte tatsächlich: es war eine tote Kuh, die sich bereits in Auflösung befand! Das sah nicht nur sehr fies aus, sondern war auch gefährlich für alle Wanderer, die weiter stromabwärts ihren Wasservorrat auffüllten. Anyway, nicht lange danach erreichte ich den Harper Pass. Bei schönem Ausblick auf das vor uns liegende Tal machte ich hier mit Jon und Roy Mittagspause. Wir wunderten uns etwas über das DOC-Zeichen: angeblich sollte es drei Stunden für die nur fünf Kilometer bis zur Locke Stream Hut dauern…

…und wir wussten auch schnell warum! Der Trail wurde extrem steil, matschig und führte durch zahlreiche Bäche. Ich legte einen Teil wieder joggend zurück, um Druck von meinen Knien zu nehmen. Dabei ließ ich die beiden Kiwis weit hinter mir und erreichte schließlich das Flussbett des Taramakau River, das ich nun bis zur Hütte folgen konnte. Die Locke Stream Hut ist eine richtig schöne Hütte und ich spielte kurz mit dem Gedanken, hier zu bleiben. Allerdings würde das meine weitere Routenplanung durchkreuzen und bis zu meiner heutigen Endstation, der Kiwi Hut, wären es auch nur noch weitere acht Kilometer.

Inzwischen hatte es komplett aufgeklart und im Sonnenschein erstrahlte die Landschaft noch schöner. Es war nicht so spektakulär wie die Richmond Ranges oder der Waiau Pass, aber dafür umso idyllischer. Kurz bevor ich von der Locke Stream Hut aufbrach erreichten auch Jon und Roy die Hütte. Ich wusste bereits, dass sie die Nacht hier verbringen wollten und so hatte ich nochmal die Gelegenheit, mich von ihnen zu verabschieden. Ich mochte die beiden und hatte großen Respekt; mit 65 Jahren waren die verdammt gut in Form und ich nahm mir davon etwas als Vorbild mit auf meinen weiteren Weg.

Ab sofort folgte der Trail nur noch dem Taramakau River, den ich mehrmals hin und her überqueren musste, bis ich nur noch auf der rechten Seite blieb. Das Flussbett war sehr breit und oft konnte ich nicht dem optimalen Weg finden bzw. ich verlor sehr oft die orangenen Marker aus den Augen. Solange ich allerdings flussabwärts lief, konnte allerdings auch nichts schiefgehen. Verlaufen war so selbst für mich unmöglich! ? Ich tat mir einmal richtig gut weh, als ein großer Fels unter meinen Füßen wegkippte und ich mit dem Knie gegen das nächste Ungetüm schmetterte. Naja, ein lauter Urschrei hilft in solchen Fällen immer. ? Dennoch, ich war froh, dass es nicht mehr besonders weit zur „rettenden“ Hütte war, denn mein linker Knöchel schmerzte bereits von der heutigen Wanderung. Ich war anscheinend einmal zu oft umgeknickt…und nahm mir vor, meine Schritte in den nächsten Tagen bewusster zu setzen. Vor allem wenn es steil bergab ging und rutschig wurde.

Die Kiwi Hut liegt etwas abseits des Trails. Ich war benötigte für die acht Kilometer von der Locke Stream Hut dorthin nur 2:15 Stunden und hatte damit schon vor 18 Uhr Feierabend. Was sollte ich nur mit meiner ganzen Freizeit anfangen?! ? Ich war allein in der etwas rustikalen Hütte und so blieb mir nichts anderes übrig, mich mit mir selber zu beschäftigen: ich plante bereits die morgige sowie weitere Etappen nach Arthur’s Pass, kochte zwei Mal Abendessen für mich und ging einfach früh ins Bett. Der morgige Tag sollte der anstrengendste dieses Trail-Abschnitts werden…und ich war offensichtlich perfekt darauf vorbereitet. ?

Trail Day 78: Von der Kiwi Hut bis zur Goat Pass Hut (28 km)

Was für ein toller, anstrengender Tag! Dabei hatte ich bis mittags echt schlechte Laune: Track mies und schwer zu folgen, ich selber überhaupt nicht fit!

So ganz hatte ich die Kiwi Hut dann doch nicht für mich allein. Um halb neun schneite noch Julia aus Hannover herein und wir unterhielten uns noch eine Weile. Als ich mich am nächsten Morgen um kurz nach acht Uhr aus dem Staub machte, schlief Julia noch tief und fest. Ich hätte mich noch gerne bedankt, denn sie hatte mir zum Frühstück eine ihre Möhren hingelegt. Aber ich wollte sie auf nicht wecken und verzog mich klammheimlich auf den Trail.

Dieser war die ersten Kilometer extrem schlecht markiert und dementsprechend schlecht zu folgen. Dazu lief ich so gut wie die ganze Zeit irgendwie über den trockenen, steinigen Teil des Flussbetts und spürte die harten Steine schon sehr früh durch meine dünnen Sohlen.

Zwischendurch musste ich immer mal wieder durch Seitenarme des Taramakau River waten. Heute war ziemlich viel los in der Luft. Innerhalb kurzer Zeit flogen zwei Helikopter über meinen Kopf durch das Tal. Ich spekulierte schon über Wanderunfälle und horrormäßige Wespen- oder Sandflies-Attacken, aber der dritte Helikopter gab mir eine viel einfachere Antwort. Der Hubschrauber landete nur 200 Meter hinter mir, ließ kurz einen Park-Ranger aussteigen und flog wieder davon…es war nichts weiter als ein Shuttle-Service zum Arbeitsplatz! ?

Nach neun Kilometern musste ich mich entscheiden, welche Route ich weiterlaufen wollte: entweder den Flood Track durch den Wald folgen oder den Otira River überqueren und danach für kurze Zeit an der Straße entlang laufen. Beide Routen waren ungefähr gleich lang und führten mich zur Morrisson Foot Bridge, das Eingangstor für das Deception Valley. Ich entschied mich für die zweite Option. Pat hatte mich vorgewarnt, dass der Flood Track in einem miserablen Zustand und für ihn deshalb der schlimmste Teil des Te Araroas sei. Außerdem war der Otira River heute sehr gut zu überqueren. Ich irrte ein bisschen durch das weite Flussbett auf der Suche nach der besten Route, aber erreichte letzten Endes sicher das andere Ufer.

Inzwischen war es wieder richtig heiß geworden und trotz meiner ausgiebigen Nachtruhe war ich total müde. Ich lief die wenigen Kilometer entlang des State Highway 73 und machte erstmal lange Pause im Schatten der Morrisson Foot Bridge. Am liebsten hätte ich einen kurzen Power Nap gemacht, aber die Sandflies hielten mich wach und todeshungrig. ? Es half nichts, irgendwann musste ich weiter!

Jon und Roy hatten mich bereits vorgewarnt: der Weg hinauf zur Goat Hut war „very rough“! Ich würde schnell genug herausfinden, was die beiden damit meinten. Inzwischen war ich auf 300 Höhenmeter bei der Morrisson Foot Bridge hinuntergelaufen. Und ich musste über noch 14 Kilometer wieder hinauf auf 1.070 Höhenmeter zum Goat Pass. Der Trail führte durch das Deception Valley, immer entlang des Deception River. Auf beiden Seiten ragten mehrere hohe Ungetüme hervor, teilweise Gipfel über der Baumgrenze. Die Landschaft war einfach überragend und meine Laune heiterte sich schlagartig auf.

Ich hatte jetzt wieder Spaß bei dieser Geschichte; hatte ja auch lange genug gedauert! ? Ich folgte dem Deception River flussaufwärts und musste ihn ständig überqueren. Der Trail verlief im Zickzackkurs von rechts nach links über die Mitte durch den Fluss nach oben. Ich balancierte und sprang von Stein zu Stein, immer mit moderater Steigung nach oben. Es war anstrengend und machte enorm viel Spaß! Allerdings packte ich mein Handy lieber in eine wasserdichte Hülle in meinen Rucksack; noch so ein Fiasko wie auf dem Whanganui River wollte ich mir nicht erlauben.

Kleiner Nebeneffekt: ich konnte mein GPS und damit meinen Fortschritt nicht checken. So war ich richtig überrascht, als ich bei einer Pause nach drei Stunden bemerkte, dass ich schon mehr als die Hälfte geschafft hatte. Bei der Brücke war die Strecke bis zur Goat Hut mit neun Stunden ausgeschildert. Und nach weiteren zwei Stunden erreichte ich bereits die Hütte vor meiner Endstation, die Upper Deception Hut. Von hier waren es nur noch zwei weitere Kilometer…

…die mir nochmal alles abverlangten! Im jugendlichen Leichtsinn hatte ich vermutet, jetzt könne es nur noch eine Stunde bis zum Ziel dauern…maximal! Allerdings wurde es jetzt steil, extrem steil! Und ich war innerhalb kürzester Zeit saft- und kraftlos, meine Oberschenkel spielten nicht mehr mit. Letztlich benötigte ich fast anderthalb Stunden für die etwas mehr als zwei Kilometer und erreichte total erschöpft, am Ende und erleichtert die Goat Hut.

Inzwischen war es schon halb acht und die Hütte mit ihren 20 Betten war gut gefüllt. Ich hörte so gut wie nur Französisch. Ich unterhielt mich noch mit Kiwi Adrian, auch Mitglied der TA-Bruderschaft. ? Er ging aber bereits vor 21 Uhr schlafen, wie auch so gut wie der komplette Rest der Belegschaft. Ich schloss mich kurze Zeit später an. Was für ein Tag! Und dazu kam noch richtige Vorfreude auf Arthur’s Pass auf. Mein erster Ruhetag nach dann neun Tagen auf dem Trail!

Trail Day 79: Von Goat Pass Hut nach Arthur’s Pass (15 km)

Als ich um 7:30 Uhr aufwachte, war die Hütte schon voller Leben. Aber ein Blick aus dem Fenster genügte mir, um wieder die Augen zu schließen und mich nochmal in meinen Schlafsack zu kuscheln. Draußen war der dichteste Nebel und offensichtlich richtig kalt, wenn man allein schon die Temperatur in der Hütte betrachtete. Anyway, ich musste es heute nur bis Arthur’s Pass schaffen. Das waren nochmal zehn Kilometer das Tal hinunter und dann fünf Kilometer die Straße entlang. Und der letzte Teil sogar per Anhalter, denn Arthur’s Pass lag off Trail. Das hieß: ich konnte es richtig ruhig angehen lassen und mir besseres Wetter herbeischlafen. ? Und die letzten Tage hatte es immer spätestens um 11 Uhr aufgeklart und die Sonne ließ sich blicken.

Als ich letztlich um 9:30 Uhr aufbrach, war ich sogar der letzte in der Hütte. Es war immer noch so kalt, dass ich mehrere Lagen und meine Regenjacke zum Schutz vor dem kalten Wind angezogen hatte. Ich wanderte über den Goat Pass und der Trail war sehr komfortabel im Vergleich zu gestern. Trotzdem, ich war einfach erschöpft von den letzten neun Tagen und stolperte und fiel mehr als dass ich wanderte Richtung Tal. Nach drei Stunden hatte ich die zehn Kilometer geschafft, vielleicht sollte ich öfter so rumstolpern! ?

Kurz vor Ende des Trails traf ich ein nettes kanadisches Pärchen aus Quebec, die mir direkt eine Mitfahrgelegenheit nach Arthur’s Pass anboten. Besser hätte es gar nicht laufen können! Und so war ich um kurz nach 13 Uhr bereits in der kleinen Siedlung und nahm beim hiesigen YHA meine Food Box in Empfang. Und dann passierte die Überraschung des Tages: direkt gegenüber vom YHA lungerten Maël und Faustine herum! Ich lief hinüber und wir fielen uns gegenseitig in die Arme. Wann hatten wir uns zuletzt gesehen?!

Es war in Taumarunui, vor mehr als 1.000 Trail-Kilometern. Wir verbrachten den Nachmittag mit Eiscreme und einigen Trail-Stories, bevor die beiden schon wieder aufbrachen auf die nächste Etappe. Ich würde sie wiedersehen, da war ich mir sicher! Allerdings würde ich jetzt erstmal einen Tag Ruhe benötigen.

Später am Tag erreichten auch James und die anderen Jungs Arthur’s Pass. Als erstes gab es erstmal ein Belohnungsbier in der einzigen Bar des Dorfes. Danach checkten wir alle gemeinsam ins Sanctuary Backpackers ein und machten Pläne für die nächsten Tage…

So what’s next: 

Chillaxing! ? Ich mache einen oder sogar zwei Ruhetage in Arthur’s Pass und lasse es mir gut gehen. Eventuell ist auch ein Sidetrip auf den Avalanche Peak drin. Und danach? Wandere ich zwei bis drei Tage zum Lake Coleridge, wo ich einen der zwei großen Flüsse überqueren oder umfahren muss: den Rakaia River. Stay tuned! ?

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