Der Arctic Circle Trail in Grönland – Paddeln mit Moskitos
Arctic Circle Trail Day 4: Von der Ikkatooq Hut mit Flussüberquerung über den Ole Lakseev bis zum Wild Camp @ Kilometer 101 (19 km)
Am Morgen blieben Ruth, Jan, Kay und ich etwas länger liegen; draußen war noch undurchdringlicher Nebel. Es versprach wieder ein kalter, nasser Tag zu werden. Da blieben wir lieber noch in der warmen Hütte und warteten, bis es halbwegs aufklarte.
Ruth hatte inzwischen mein halbes Erste-Hilfe-Set verbraucht, aber konnte zumindest wieder mit ihren blasenübersäten Füßen auftreten. Und Jan und Kay gönnten sich ein ausgedehntes Frühstück, nachdem ich ihnen einen Teil meiner abgepackten Rationen vermachte. Da ich wahrscheinlich schneller sein würde, versprach ich ihnen, immer mal wieder etwas in den kommenden Hütten zurück zu lassen. Je nachdem wie es um meine eigenen Vorräte bestellt war.
Immerhin regnete es nicht mehr und ich lief schließlich eine Stunde nach Jan und Kay los. Ruth packte noch in Ruhe zusammen und ich sollte sie dann erst in Sisimiut wiedersehen. Wegen der Kälte behielt ich von nun an meine Thermounterwäsche an. Später sollten sich die Tights auch gegen die Moskitos bewähren.
Mein heutiges Programm: Erst ein moderater Aufstieg, dann ein umso steilerer Abstieg, bei dem ich auch die Höhenmeter von gestern wieder hinunterlief, dann die einzige große Flussüberquerung des Trails über den Ole Lakseev, um dann wieder einige Höhenmeter aufzusteigen. Insgesamt also der härteste Tag des Arctic Circle Trails! Dafür aber mit grandiosen Aussichten und ein bisschen Abenteuer. ?
Beim steilen Abstieg holte ich Jan und Kay ein; auch hier sollte es ein Wiedersehen in Sisimiut geben. Beide waren gerade in ein Gespräch mit einem entgegenkommenden ACT Hiker vertieft, als ich hinzustieß. Der bärtige Engländer erzählte von ein paar Booten am Ufer des Ole Lakseev, die zur Überquerung genutzt werden konnten. Anscheinend stammten sie von einer Truppe Jäger, die in der Gegend unterwegs waren. Super, damit würde ich mir die zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen einer Flussüberquerung zu Fuß sparen. Durch den Regen der letzten Tage wäre der Wasserspiegel bestimmt wieder angestiegen und damit die Strömung nicht zu unterschätzen. Außerdem hatte ich seit dem Te Araroa in Neuseeland ein leichtes Flusstrauma (siehe auch mein ruppiges River Crossing über den Rakaia River).
Ich verabschiedete mich von Jan und Kay und ließ sie auf den verbleibenden Kilometern zum Ole Lakseev schnell hinter mir. Nur 100 Meter flussaufwärts vom Trail entdeckte ich die versprochenen Boote. Ich erreichte das Flussufer und wurde direkt von extrem aggressiven Moskitos attackiert. Schnell drehte ich eins der Boote um, wuchtete meinen Rucksack und meine Trekking-Stöcke hinein, machte die Leinen los und die Ruder startklar. Mit immer mehr Moskitos im Gesicht paddelte ich hinüber auf die andere Fluss-Seite. Zwischendurch musste ich immer wieder die Paddel loslassen, um die Agressivlinge zu vertreiben. Um mich herum schwirrten einfach Hunderte von den Angreifern und so dauerte es eine gefühlte Ewigkeit bis zum anderen Ufer, da ich meinen Kurs in der Strömung durch das Loslassen der Paddel immer wieder korrigieren musste. Ich wusste, ich hätte dieses verdammte Moskito-Kopfnetz kaufen sollen! ?
Gehetzt aber nicht allzu lädiert im Gesicht erreichte ich das andere Ufer. Von hier an wurde es extrem sumpfig und matschig hinauf zur nächsten Hütte mit dem leicht auszusprechenden Namen Eqalugaarniarfik. Meine Füße waren vom nassen Sumpf und Matsch total nass. Ich legte eine ausgedehnte Mittagspause ein, um mich aufzuwärmen und neue Energie für den weiteren Tag zu sammeln. Jan, Kay und Ruth waren nicht zu sehen und so begab ich mich nach einer Stunde an den nächsten Aufstieg.
Es fing wieder leicht an zu regnen und beim erneuten Anstieg schmerzte mein Knie wieder brutal. Es war ein enorm herausfordernder Tag mit wenig Schlaf (Kay hatte fleißig geschnarcht in der letzten Nacht), Kälte, Nässe und sehr vielen Höhenmetern. Sobald ich nach dem letzten Abstieg des Tages eine gute Stelle zum Campen entdeckte, beendete ich den Wandertag. Ich war am Ende meiner Kräfte, es war kalt, es nieselte und die Moskitos ließen mich auch beim Aufbau des Zeltes nicht eine Sekunde in Ruhe: Zeit zum Durchatmen und Schlafen, um die Akkus wieder aufzuladen! Aber da hatte ich die Rechnung noch nicht mit der kommenden Nacht gemacht…