Der Arctic Circle Trail in Grönland – Anreise und lockeres Einwandern
Anreise: Von Düsseldorf über Kopenhagen nach Kangerlussuaq
Meine Anreise von Düsseldorf nach Kangerlussuaq verlief extrem chaotisch! Meine Billigflug-Website des Misstrauens opodo hatte mir für den Kopenhagen/Grönland-Flug anstatt Air Greenland eine falsche Airline mitgeteilt, nämlich „Air Glow Aviation Services“. Wie sich später herausstellen sollte ist das ein Cargo Carrier mit Sitz in Dubai… ??♂️Deswegen konnte die Dame am Check-in in Düsseldorf mein Gepäck nicht zum Zielort durchrouten. Oder sie war sich zumindest nicht sicher, ob es klappen würde. Super Info!
Also vielleicht müsste ich in Kopenhagen mein Gepäck vom Band holen, nochmal rauslaufen, erneut einchecken und durch die Sicherheitskontrolle. Aber ich könne ja im Flieger nochmal nachfragen. Dort hatte man auch keine Ahnung, weshalb ich meine anderthalb Stunden Aufenthalt am Kopenhagener Flughafen ziemlich gestresst und gehetzt zwischen Gepäckband, Bulky Baggage-Ausgabe und Lost&Found-Schalter verbrachte. Von meinem Rucksack natürlich keine Spur!
Als es zeitlich richtig knapp wurde, sprintete ich noch gerade rechtzeitig raus zum erneuten Check-in. Inzwischen wusste ich zumindest, dass es Air Glow nicht gab und ich zu Air Greenland musste. Ich kam gerade noch rechtzeitig und erwischte meinen Flug…ob mein Rucksack mit an Bord sein würde, konnte mir allerdings auch hier niemand beantworten.
Der Flug selber war richtig strange! Erstmal war es überraschenderweise ein Airbus A320 mit über 200 Menschen an Bord. Ich hatte eher an eine kleine AirProp gedacht. Wer will schon nach Grönland? ? Als ich um 22 Uhr in Kopenhagen abhob, war es bereits stockdunkel…und drei Stunden später wurde ich an meinem Fensterplatz vom Sonnenlicht geweckt. Durch die nordwestliche Flugrichtung und die vierstündige Zeitverschiebung hatten wir den Sonnenuntergang „eingeholt“. ?? Sobald der Flieger die Wolkendecke durchbrach, warf ich einen ersten Blick nach unten auf die schier endlos erscheinende Eisfläche von Grönland. Auch im Halbdunkel ein einzigartiger Anblick!
In Kangerlussuaq gelandet galt mein einziger Gedanke meinem Rucksack. Direkt am nächsten Mittag sollte ich nämlich meinen Transfer zum Ice Cap haben, dem Startpunkt meiner Tour. Zusätzliche Wartezeit für mein Equipment war damit nicht eingeplant. Aber im Endeffekt war alle Sorge umsonst, denn nach einigen Minuten rollte mein Rucksack auf dem Gepäckbad herein. Ich begab mich auf direktem Weg zur nur 200 Meter entfernten Polar Lodge. Hier klebte ein Umschlag für mich mit Schlüssel und Zimmernummer an der geschlossenen Tür zur Rezeption. Ich legte mich sofort schlafen und freute mich schon auf die Tour zum Ice Cap und den den morgigen ersten halben Wandertag…
Preamble Day 1: Vom Ice Cap bis Russells Glaciar (12 km)
Nach einer kurzen Nacht wachte ich auf. Bereits um 4 Uhr war es taghell und das Wiedereinschlafen fiel mir schwer, also konnte ich auch genauso gut aufstehen. In Deutschland wäre es jetzt sowieso schon 8 Uhr.
Am Vormittag erledigte ich noch letzte Besorgungen wie eine Gaskartusche für meinen Kocher. Ich verzichtete bewusst auf ein Moskito-Netz für meinen Kopf…sieht nämlich extrem blöd aus, war aber der erste große Fehler auf dieser Tour. Spätestens an Trail Day 5 würde sich das zeigen…
Um 14 Uhr ging es ganz gechillt los und ich fuhr erstmal mit einem umgebauten Touri-LKW 37 Kilometer eine ehemalige holprige VW-Teststrecke von Kangerlussuaq zum Ice Cap. Was ist das Ice Cap? Ganz einfach, die riesige zusammenhängende Eisfläche im Inland der Insel, die den größten Teil Grönlands bedeckt. Dazu holperten wir hoch bis auf 558 Meter; danach würde es nur noch zu Fuß auf dem hügeligen Eis weitergehen (oder mit Bulka und Kite, wenn man Extremsportler ist und Grönland durchqueren möchte…). Das Ice Cap steigt stetig an, von außen nach innen bis zum Summit auf eine Höhe von 3.248 Meter.
Auf der Fahrt zum Ice Cap unterhielt ich mich mit Robin und Sara aus Italien, die den ACT ebenfalls vom Ice Cap aus starten wollten. Und ich lernte einen netten dänischen Jäger kennen, der die letzten sieben Tage mit seiner Hunting Party in der Wildnis Grönlands verbracht hatte, um Rentiere und Moschusochsen zu jagen…beide typisch grönländischen Fleischlieferanten sahen wir auch bei unserer Fahrt zum Ice Cap.
Die lustigen zwei dänischen Guides erzählten zwischendurch unterhaltsame Geschichten von Flughafen-Blackouts durch Schneestürme, einen glimpflich ausgegangenen Absturz eines US-Kampfjets (die Überbleibsel konnte man am Wegesrand besichtigen) oder den vollkommen sinnlos erscheinenden 18-Loch-Golfplatz im Wüstensand außerhalb Kangerlussuaqs. Wüste deshalb, weil diese Gegend mit unter 150 ml Niederschlag pro Quadratmeter technisch gesehen tatsächlich als Wüste klassifiziert wird. Zum Vergleich: in der Sahara fallen 250 ml pro Quadratmeter!
Angekommen am Ice Cap tobten wir uns eine Weile auf der surrealen Mondlandschaft in weiß/grau aus und ich war bereits das erste Mal von Grönland fasziniert. Ein unglaublicher Anblick!
Hier trennen sich jetzt unsere Wege: Die meisten kehrten wieder mit dem umgebauten Touri-LKW nach Kangerlussuaq zurück, einige wenige bleiben zurück für einen zweitägigen Aufenthalt in Spezialzelten auf dem Eis und die ACT-Crew bestehend aus Robin, Sara und mir machten ihre Rucksäcke startklar. Der nette dänische Jäger wünschte mir viel Erfolg und fuhr ebenso mit zurück. Während Robin und Sara eine Essenspause einlegten, kletterte ich auf einen kleinen Hügel, um noch ein letztes Mal das Panorama auf das Ice Cap zu genießen.
Danach machten wir uns separat auf dem Weg zum nur 12 km entfernten Russells Glaciar. Es war bereits kurz vor 18 Uhr, als wir endlich starteten…da die Sonne allerdings erst um halb elf untergeht und es auch dann nicht richtig dunkel wird, alles kein Problem. Es wurde eben nur merklich kühler, da der Wind vom eisigen Ice Cap herunterpfiff.
Ich kam schnell in den Wandertrott und auf der Straße legte ich die ersten zwei Kilometer schnell zurück…um dann einen stechenden Schmerz im linken Knie zu verspüren! Ich merkte gleich, dass es was Ernstes war; ich schlenderte erstmal piano weiter, aber es wurde nicht wirklich besser.
Bis zum Russells Glaciar hielt ich durch und suchte mir einen windgeschützten Platz für mein Zelt in der Nähe von Robin und Sara. Zu diesem Zeitpunkt war ich – auch wegen des vierstündigen Zeitunterschieds zu Deutschland – totmüde und schlief noch mit Jacke und restlicher Montur ein. Nur um später in der Nacht von der eisigen Kälte des nahen Gletschers aufgeweckt zu werden. Ich verkroch mich also in meinen warmen Schlafsack, verbrachte aber eine unruhige erste Nacht mit nervösen Gedanken an mein schmerzendes Knie.