Der Arctic Circle Trail in Grönland – Letzter Boxenstopp vor der Wildnis
Preamble Day 2: Vom Russells Glaciar nach Kangerlussuaq (25 km)
Am nächsten Morgen wachte ich trotzdem gutgelaunt auf. Der Schlaf tat mir extrem gut und ich hatte neuen Mut gefasst. Oder meine umfangreiche Sammlung an Schmerzmittel mit berücksichtigt, die ich ja mit in die Gleichung aufnehmen konnte. Eine Ibu am Morgen vertreibt…ihr wisst schon! ?
Robin und Sara schlummerten noch eine Weile, während ich schon gefrühstückt hatte und wieder fast startklar war. Ich sagte noch kurz guten Morgen, als die beiden schließlich aus ihrem Wanderkoma erwachten. Später würde ich die beiden sowieso in Kangerlussuaq auf dem Zeltplatz wiedersehen.
Ich wanderte also mit Podcast im Ohr und Sonne auf den Buff-geschützten Kopf am See entlang, bevor ich wieder auf die Straße stieß. Irgendwann führte eine alternative Route rechts ab und bot aus der Höhe überragende Aussichten auf den Fluss Akuliarusiarsuup Kuua (oder einfacher: Watson’s River) und das sogenannte Sandflugtdalen (ein kilometerbreites Flußbett und Tal, überwiegend bestehend aus Sand und Silit).
So langsam machte sich mein Knie wieder bemerkbar. Ich verzichtete spontan auf den eigentlich fest eingeplanten Aufstieg auf den Sugar Loaf am Wegesrand und schlenderte weiter Richtung Zielort Kangerlussuaq. Es ärgerte mich schon ein wenig, weil die Aussicht von 353 Metern Zuckerhut-Höhe sehr schön sein sollte. Andererseits wollte ich vor Beginn des eigentlichen Trails nicht unnötig viel riskieren.
Ich folgte weiter der holprigen Schotterpiste und entdeckte aus der Entfernung den Flughafen von Kangerlussuaq. Vor dem Endspurt machte ich ein letztes Mal Pause beim Wüstensandgolfplatz und dem verlassenen Clubhaus.
In Kangerlussuaq angekommen ging ich direkt zum Zeltplatz, der vom Deutschen Frieder betrieben wird. Frieder hat hier auch sein Hauptquartier für den Kampf gegen eine geplante ATV-Strecke („All Terrain Vehicle“) aufgeschlagen, die entlang des Artic Circle Trails verlaufen soll. Frieder war leidenschaftlich bei der Sache und erklärte mir im halbstündigen Monolog alle politischen Aktivitäten und Argumente, um diese Strecke doch noch zu verhindern. Ich unterstützte seine Ausführungen mit viel nickender Zustimmung und meiner Unterschrift für einen offenen Brief an den grönländischen Premierminister. Zu mehr war ich heute auch geistig nicht mehr in der Lage.
Ich schlug mein Zelt auf, ging in der Polar Lodge heimlich warm duschen und legte mich früh schlafen. Über die Nacht sollte mir klarwerden, ob ich die Wanderung mit meinem schmerzenden Knie wirklich antreten sollte. Ein Ausstieg mittendrin wäre nur über Hilferuf und Helikopter möglich…