Der Arctic Circle Trail in Grönland – Die letzten arktischen Sommertage
Arctic Circle Trail Day 1: Von Kangerlussuaq bis Wild Camp @ km 28 (28 km)
Ich entschied mich natürlich zu wandern. Was hätte ich auch sonst mitten in der grönländischen Pampa tun sollen? ? Mein Knie tat weh, aber ich konnte es auch mit meinem Startgewicht von 17,5 kg gut aushalten. Zumindest noch beim Warmlaufen auf den ersten Kilometern auf dem Arctic Circle Trail, raus aus Kangerlussuaq.
Vorher verabschiedete ich mich noch von Robin und Sara, die ich erst im Vandrejhem (= Jugendherberge) in Sismiut wiedersehen sollte. Während eines entspannten Frühstücks trocknete ich noch mein Zelt, das in der kalten Nacht etwas Kondensation gefangen hatte. Trotz morgendlicher Kälte war es schnell wieder trocken zusammengefaltet in meinem Rucksack verstaut und ich konnte loslegen. Ein richtig gutes Gefühl…auch wenn ich um die erste Ibuprofen trotzdem nicht drum herum kam.
Der erste Teil des Arctic Circle Trails war super entspannt: Road Walk über den Hafen nach Kellyville, einer US-amerikanischen Forschungsstation. Diese hat allerdings von Trump die Fördergelder gestrichen bekommen und wird demnächst schließen müssen. Mit naturwissenschaftlicher Forschung kann man eben keinen kurzfristigen Deal machen.
Die Straße sparen sich einige der ACT-Wanderer und fahren mit Taxi die ersten 14 km direkt zum „richtigen“ Start des Trails. Ich hielt es allerdings so wie schon auf dem Te Araroa in Neuseeland: wenn es offiziell Teil des Trails ist, wandere ich auch Asphalt! ?
Nach kurzer Zeit wurde es richtig warm in der Sonne und ich wechselte zu kurzer Hose und T-Shirt. So könnte es bleiben (sollte es aber natürlich nicht)! Bei der ersten Pause machte ich direkt Bekanntschaft mit einem fiesen Moskitoschwarm. Ich überlegte, ob ich noch einen der entgegenkommenden Taxifahrer anhalten und bestechen könnte, mir ein Moskito-Kopfnetz aus Kangerlussuaq zu besorgen und wieder zu mir zu bringen. Aber das war mir dann doch zu blöd!
Auf dem Weg traf ich die ersten ACT Hiker aus Richtung Sisimiut, ein kubanisch-polnisches Pärchen, die ziemlich fertig aussahen! Und glücklich, dass sie es wieder halbwegs in die Zivilisation geschafft hatten.
Nach 14 km begann der eigentliche Trail, wo ich direkt ein paar dänischen Jägern mit prall gefüllten Rucksäcken voller Rentier-Fleisch begegnete. Die Jagdsaison war gerade erst eröffnet worden und Trophy Hunting gehört zu den Hauptaktivitäten von Grönlandbesuchern.
Durch Gras und hin und wieder Matsch wanderte ich an kleinen Seen vorbei und genoss die warme Sonne und die herrliche Ruhe. Bereits im 15 Uhr erreichte ich den Caravan, den viele Wanderer als Zielort für den ersten Tag wählen. Ich machte kurz Pause; allerdings waren hier viel zu viele Fliegen und Moskitos, um länger zu verweilen.
Kurze Zeit später überholte die ersten Wanderer mit gleicher Richtung: Vier Tschechen, die sich mit Taxi zum Trail Head hatten kutschieren lassen. Wir wanderten einige Zeit zusammen, aber verabschiedeten uns um 18 Uhr. Zum Abschied bekam ich noch einen Schluck Slivowice aus einer Plastikflasche. Nettes Volk, diese Tschechen! ?
Nach insgesamt 28 km machte ich Halt bei einem wunderschönen Wild Camp Spot. Ich baute mein Zelt auf ein kleines Podest, wie für mich gemacht! Ich hatte die überragend schöne Natur und den See mit kleiner Insel in der Mitte vollkommen für mich allein. Es könnte einfach nicht besser sein für den ersten Tag auf dem Arctic Circle Trail!
Ein kurzes Video vom Wild Camp… aber nicht neidisch werden! 😉
Arctic Circle Trail Day 2: Vom Wild Camp @Kilometer 28 bis zum Wild Camp @ Lake Amitsorsuaq (30 km)
Absolutes Highlight des Tages: Ein Rentier besucht mich abends an meinem Zelt! ?
Aber fangen wir wieder von vorne an. Ziel des heutigen Tages sollte eigentlich das Canoe Center in 32 Kilometer Entfernung sein. Das Profil des Trails war immer noch ziemlich easy, deswegen sollte die Distanz kein großes Problem darstellen…eigentlich!
Ich verabschiedete mich von meinem perfekten Wild Camp Spot und brach gutgelaunt und ohne Knieschmerzen auf. Mein Weg führte mich weiterhin entlang kleiner Seen und Tümpel durch saftig grünes Gras und hin und wieder auch etwas Matsch. Nach kurzer Zeit traf ich die ersten Wanderer: ein älteres deutsches Paar, das gerade im Aufbruch begriffen war. Ich unterhielt mich kurz mit ihnen über Moskitos, Matsch und die wunderbare Natur, wanderte dann aber alleine weiter.
Nach zehn Kilometern (und rechtzeitig zur Mittagspause) erreichte ich die Katiffik-Hütte, wo bereits ein tschechisches Paar die Sonne genoss. Katiffik liegt am östlichen Ende des großes Sees Amitsorsuaq, den ich von nun an bis zum Canoe Center folgen sollte. Aber zunächst machte ich hier Pause und erlebte ein tschechisches „Massentreffen“ in der grönländischen Wildnis.
Die vier Tschechen vom gestrigen Tag kamen nämlich ebenso noch mit hinzu zur Mittags-Party an der Hütte und so saß ich entspannt beim Lunch mit sechs Tschechen (so viele osteuropäische Nachbarn auf einem Haufen hatte ich vorher noch nie gesehen ?)… Meine Theorie: Das beliebteste tschechische Outdoor-Magazin hatte im letzten Jahr DIE Story überhaupt über den Arctic Circle Trail gebracht…und in diesem Jahr setzte die tschechische Wanderermigration in den hohen Norden ein.
An der Katiffik-Hütte erlebte ich allerdings auch die Schattenseiten des angestiegenen Hiker-Aufkommens auf dem Trail: Hinter einem kleinen Hügel lagen flächendeckend Exkremente und Klopapier verstreut. So viel zum Thema „leave no trace“… Der „Anblick“ war echt ekelhaft und machte mich ziemlich wütend! So ganz genießen konnte ich den schönen Blick auf den Amitsorsuaq somit nicht und ich brach vor der tschechischen Gruppe wieder auf.
Leider erwischte ich auch kein Kanu, mit dem ich über den See bis zum nun noch 20 Kilometer entfernten Canoe Center paddeln konnte. Auf dem See herrscht ein reger Austausch zwischen der Katiffik-Hütte und dem Canoe Center von den wenigen Kanus. Ein glückliches Timing ist also nötig, um dann ein hoffentlich schadloses Kanu zu ergattern. Ein kleines Risiko ist immer dabei, aber meine Sachen waren so gut wie alle wasserdicht im Rucksack verstaut. Anyway, wandernd kam ich schneller voran und ich stieg entlang des Sees auf und ab, aber meist immer nah am Ufer des Amitsorsuaq.
Die Sonne stand hoch am Himmel und es waren bestimmt wieder über 20 Grad. Allerdings zogen am Nachmittag ganz andere Wolken auf: mein Knie machte sich wieder trotz Schmerzmittel bemerkbar und ich so langsam wurde mir klar, dass ich es nicht zum Canoe Center schaffen würde. Zumindest nicht mit guter Laune und darum geht’s ja schließlich. ?
Ich änderte meinen Plan und stellte mein Lager bereits zwei Kilometer vom Canoe Center entfernt direkt am Seeufer auf. Es war wieder ein extrem hübscher Flecken Erde, auch wenn ich diesmal die Natur nicht für mich allein hatte; nur 50 Meter weiter hatte es sich bereits ein schweigsames und nicht überaus freundliches Schweizer Pärchen gemütlich eingerichtet.
Statt mich weiter mit griesgrämigen Menschen zu beschäftigen, kümmerte ich mich lieber um meinen anderen Nachbarn: ein Rentier, das ganz nah an mein Zelt herankam und Gras fraß. Ich beobachtete es eine Weile und pirschte mich dann noch näher heran. So verbrachte ich bestimmt eine ganze Stunde und sah dem Rentier beim gemütlichen Fressen zu. Ganz schön mutig: mein neuer Freund hatte wohl noch nicht mitbekommen, dass die Jagd-Saison eröffnet war.
Es war wieder ein toller Tag auf dem Trail. Irgendwann sagte ich dem Rentier gute Nacht und ging zurück zu meinem Zelt, um die letzten Sonnenstrahlen des Tages (und der nächsten Tage) zu genießen.
Video vom Wild Camp am zweiten Tag…check it out!